• In der Schweiz wurde ein Hinweisgeberschutz abgelehnt. Bedeutet die EU-Richtlinie einen Richtungswechsel?

In der Schweiz ist das Bewusstsein für die Vorteile noch nicht so intensiv ausgeprägt. Jedoch macht die Schweiz 85% ihres Aussenhandelsvolumens mit Europa. Somit werden Schweizer Unternehmen, mit Inkrafttreten der Richtlinie erkennen, dass die Umsetzung verhindert, dass sie aus den Lieferketten fallen sowie die Notwendigkeit in der Zukunft verstehen, wenn sie Wettbewerbsfähig bleiben möchten. Vor allem bei der Auftragsvergabe und dem Kampf um die besten Talente.

  • Ist die Schweiz / Sind Schweizer Unternehmen (noch nicht) bereit für ein entsprechendes Gesetz?

Es gibt bereits eine grosse Anzahl Unternehmen, die auf freiwilliger Basis eine Meldestelle implementiert haben. Aber die Durchdringung ist noch nicht abgeschlossen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass weitere nachziehen werden, steigt doch das Bewusstsein für die Notwendigkeit Compliance auch in der Schweiz stetig. Dazu gehört etwa auch das Unternehmens- und Reputationsrisiko, dass es mit sich bringt, wenn keine Meldestelle implementiert ist. 

  • Wie wird in der Schweiz mit dem Hinweisgeberschutz umgegangen?

Bereits 2008 gab es Vorstösse, ein entsprechendes Gesetz, bzw. einen Kündigungsschutz im schweizerischen OR vorzusehen. Nach einem langen Hin und Her im Parlament wurde der Entwurf vom Nationalrat verworfen. Hinweisgeber können nur in bestimmten Fällen, wie zum Beispiel bei erheblichen gesundheitlichen Risiken für Konsumenten oder bei erheblichen Mängeln bei der Arbeitssicherheit Art. 321a OR durchbrechen. Diese Norm statuiert eigentlich eine Treuepflicht für den Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber, wozu auch eine Geheimhaltungspflicht gehört. In der Schweiz können zwar auch Kündigungen oder sonstige Repressalien infolge von Whistleblowing von Gerichten als missbräuchlich eingestuft werden, das ist aber häufig mit finanziellen Risiken und Beweisschwierigkeiten verbunden.

  • Gibt es eine «kulturelle» Spezifität der Schweiz (im Umgang mit Whistleblowern) im Vergleich zu anderen Ländern?

Es gibt immer kulturelle Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern. Ob und wie das in der Schweiz bezüglich «Meldestelle» ist, kann ich schwer beurteilen. Der politische Prozess in unserem Land führt dazu, dass wir nicht immer zu den «schnellsten» gehören. Somit erstaunt es auch nicht, dass die Schweiz hier nicht als Vorreiter operiert. 

  • Whistleblower haben oft gewichtige Konsequenzen zu befürchten. Können medienwirksame Fälle auch abschreckend wirken?

Das ist leider so. Auch wenn die Motive eines Whistleblowers manchmal ambivalent sein können, von Gerechtigkeit bis zur Rache, so ist es doch immer ein Akt der Transparenz und gegen Korruption. Viele Menschen wollen und können jedoch nicht in der Öffentlichkeit stehen, weil ihnen das in einem zukünftigen Arbeitsverhältnis nicht zuträglich ist.